Die Architekturtheorie steht in einem ähnlichen Verhältnis zum Bauwerk wie das Lehrgerüst zu einem Gewölbe. Sie bleibt unsichtbar, nur eine sorgfältige Betrachtung der fertigen Konstruktion erlaubt ihre gedankliche Rekonstruktion - das istdie Aufgabe, die der Autor dieses Bandes sich stellt. Die Aufsätze gruppieren sich um drei grosse Themenkreise: Architekturtheorie, die Architekturgeschichte Mitteleuropas im 20. Jahrhundert und Architekturkritik.
Die Sinnlichkeit des Materials trägt für Ákos Moravánszky eine über seine jeweiligen physikalischen Eigenschaften weit hinausgehende Bedeutungin sich. Ihn interessiert das Spannungsfeld zwischen abstrakter Theorie und konkreter opti- scher Wahrnehmung, die immer auch auf die Wirkung der Werkstoffe zurückzufüh- ren ist, eine Faszination, die sich auf den Leser überträgt. Der mitteleuropäischen Architektur - einem zweiten Forschungsschwerpunkt - widmet er sich ausserordentlich kenntnisreich revolutionäre Neuerungen des Prager Kubismus oder des Sozialistischen Realismus in Ungarn standen, wie er nachweist, trotz ihrer scheinbaren Unabhängigkeit in engster Verbindung mit Entwicklungen in Westeuropa und in den USA. Mit differenzierten Analysen einzelner Bauwerke, etwa der Schule von Bearth & Deplazes Architekten in Tschlin oder dem Laborgebäude von Eduardo Souto de Moura auf dem Novartis Campus in Basel, erweistsich der Autor als subtiler Architekturkritiker, dessen Betrachtungen aus der Perspektive der Gegenwart heraus stets die Verbindung zur Geschichte suchen.;